Montagmorgen, ich sitze allein im Café und gönne mir die Zeit zu schreiben. Weg von allen Alltagsproblemen will ich Geschichten erfinden. Ideen für mein neues Buch, auf der Suche nach dem Thrill in meiner Geschichte. Neben mir sitzt ein Pärchen, nicht sehr alt, vielleicht Ende Fünfzig. Sie weint, er hält ihre Hand, schaut besorgt aber nicht unsicher.
„Und wenn ich alles vergesse?“
„Das war doch nur ein Verdacht, das war noch keine endgültige Diagnose, Schatz!“
„Aber wenn es so ist, wenn der nächste Arzt die gleiche Diagnose stellt? Du weißt, meine Mutter ist daran gestorben. Am Ende kannte sie niemanden mehr und zum Schluss wusste sie nicht einmal mehr wie man schluckt, konnte kaum noch laufen und war so böse. Sie war einfach nur noch böse.“
„Wenn es so ist, dann werden wir eine Lösung finden.“
„Was denn für eine Lösung? Ich werde nicht mehr wissen, wer du bist! Ich werde unsere Kinder nicht mehr erkennen, ich werde nicht mehr wissen, wie wir uns kennengelernt haben. Als du mir im strömenden Regen in Berlin ein Eis gekauft hast und auf den Becher deine Telefonnummer geschrieben hast. Ich werde mich nicht einmal mehr an die Eissorte erinnern, Klaus. Es war Pfirsich Melba! Ich werde es nicht mehr wissen. Alles wird von dieser Krankheit verschluckt werden, bis alles dunkel ist.“
Leise Tränen fließen.
„Und ich werde bei dir sein. Ich werde mich für uns beide erinnern. Jeden Tag! Und ich werde dir jeden Tag erzählen, wie wir uns kennengelernt haben und ich werde dir Eis mitbringen. Pfirsich Melba, jeden Tag. Und du wirst uns schmecken, jeden Tag. Meine Erinnerungen werden deine werden, jeden Tag.“
Er streichelt ihr Gesicht.
„Und wenn ich dich wirklich nicht mehr erkenne? Wenn du ein Fremder für mich wirst?“
Ich spüre ihn schlucken. Er schaut sie an.
„Dann wirst du glauben, du triffst jeden Tag einen neuen Mann und wir lernen uns jeden Tag neu kennen!“
Sie hat aufgehört zu weinen.
„Weißt du, wie sehr ich dich liebe?“
„Jeden Tag eine neue Verabredung, Schatz! Für immer und ewig!“
Sie küssen sich. Jetzt muss ich die Tränen zurückhalten. Das Leben schreibt die besten Geschichten.
© Sunny Möller
Sehr sogar
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Stimmt!
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Das ist wirklich berührend
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Sehr berührend …
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