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Charlys Fuß

Meine Freundin Charly quält sich seit mindestens einem Jahr mit einem sogenannten Fersensporn. Wer es noch nie gehört hat, das ist ein knöcherner Auswuchs im Fersenbein, was ein ziemliches Aua machen kann. Und da Charly in ihrem Job viel stehen muss, macht es ständig Aua.

Doch sie war bereit einiges dafür zu tun, damit die Schmerzen nachlassen würden. Seitdem die Diagnose gestellt worden war, war Charlys Fuß Teil der Familie und des gesamten Freundeskreises geworden. „Wie geht´s dir Charly?“ Die zweite Frage war fast immer:“Und wie geht´s dem Fuß?“ Der Fuß war ein ziemlich asoziales Wesen und man wusste nie so genau, ob der Fuß gerade Zähne bekam oder doch schon in der Pubertät war.

Und Charly tat alles dafür, das störrische Biest in die Schranken zu weisen. Bisher war sie nicht sehr erfolgreich gewesen.

„Ich mach jetzt Stoßwellen!“

„Du machst was?“

Ich hatte die schlimmsten Befürchtungen, dass sie auf der Suche nach Mr. Right einen etwas extrovertierteren Weg eingeschlagen hatte. Sie bemerkte meinen geschockten Blick und schickte umgehend eine Erklärung hinterher.

„Oh Gott, Sunny! Ich will gar nicht wissen, woran du gerade wieder denkst! Das ist für meinen Fuß, die versuchen die Verknöcherung aufzubröseln. Zusätzlich habe ich noch Physiotherapie. Ich glaube, diesmal wird das was.“

„Oh mann, ich gönne es dir wirklich!“

Drei Tage später, mein Telefon klingelt. Es ist Charly.

„Ich muss die Therapie abbrechen!“

„Was? Wieso? Das hörte sich doch alles ganz gut an.“

„Ich kann da nie wieder in die Praxis. Es war schrecklich!“

„Du hattest doch gestern die erste Physiostunde, war das so schlimm?“

Ich spürte sogar übers Telefon, wie ihr ein gequältes Lachen entwich.

„Hör bloß auf! Es war der Horror! Ich hatte den Termin um 12.30. Ich bin bei der Arbeit um viertel nach zwölf raus und dann fiel mir plötzlich ein, dass ich die Turnschuhe an hatte, in denen ich immer solche Schweißfüße kriege. Wie peinlich ist das denn? Also bin ich nochmal nach Hause gerast, habe meine Füße gewaschen, frische Strümpfe und andere Schuhe angezogen. Ich war natürlich zehn Minuten zu spät in der Praxis. Voll peinlich.“

„Immerhin hattest du frische Füße!“

„Das wirklich Schlimme kommt aber noch! Da kam dann so ein junger Therapeut rein und meinte, ich solle mich schon mal frei machen. Also habe ich Schuhe und Socken ausgezogen und mich schon mal auf die Behandlungsliege gelegt. Dann kam der Typ wieder rein und grinste mich an. `Mit frei machen meinte ich eigentlich komplett.´Ich war total geschockt. Ich habe doch Fuß, warum sollte ich mich denn komplett ausziehen? Der spinnt doch total. Ich hatte nicht mal die gute Unterwäsche an, die Beine hatte ich nach der Bikinisaison auch noch nicht wieder rasiert und meinen Bauch zeige ich nach zwei Kindern sowieso niemanden mehr!“

„Und was hat du dann gemacht? Ich meine, Charly, der Kerl macht das beruflich, was meinst du, was der jeden Tag so alles zu sehen bekommt.“

„Danke, das hat er mir dann auch gesagt. Der hat mir dann ein Kleidungsstück nach dem anderen vom Körper geredet. `Ich muss das als Gesamtbild sehen, Fehlstellungen erkennen und so weiter.´ Bei Hemd und Schlüpfer bin ich allerdings standhaft geblieben. Dann fing er an, meinen Bauch durchzukneten wie eine Pizza. Die Leber, bla bla und die Blase erst, blubb blubb. Am Fuß hat der gar nichts gemacht! `Ihr Fuß ist nicht der Auslöser des Problems. Wir müssen den Verursacher finden.´Da er die Leber erwähnte, dachte ich nur, dass wir die letzte Zeit vielleicht etwas zu viel Prosecco hatten…“

„Du meinst also, dein Fuß ist Alkoholiker?“

„Keine Ahnung, kann ihn ja schlecht fragen.“

„Den Therapeuten?“

„Nein, den Fuß!“

„Und was willst du jetzt machen?“

„5 Kilo abnehmen und den guten Schlüpfer anziehen.“

© Sunny Moeller

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Der ganze Himmel, Sunny, der ganze Himmel!

Ich hatte heute vor mein ABC der Nachhaltigkeit weiter zu schreiben, aber wie das Leben so spielt, kommen ganz andere Sachen dazwischen, verrückte, irgendwie auch ganz lustige oder eben völlig unvorhergesehne.

Ich war mit Charly auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Schrebergarten. Nur mal schnell gucken, wegen der Schnecken und um den Vögeln die Futterhäuschen wieder voll zu machen.

„Können wir schnell noch bei der Post vorbei? Ich hab da noch einen Brief, der dringend weg muss.“

„Klar Charly, liegt ja auf dem Weg.“

Leider hatte ich nicht bedacht, dass es eine Zeit war, in der man mit dem Auto möglichst die Innenstädte meidet, da alle Menschen nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause sind. Also standen wir in einer langen Autoschlange und warteten und warteten. Jede Postkutsche ohne Pferd wäre schneller gewesen. Egal, im Radio lief „Sunshine Reggae“ und das machte das kalte Mai-Wetter draußen gleich viel angenehmer. Wir wippten im Rhythmus, hatten nicht viel zu sagen, doch dann plötzlich…

„Oh nein, guck mal, guck mal, da ist ein kleiner Vogel gegen ein Fenster geknallt!“

„Wo?“

„Na da, der liegt jetzt auf dem Radweg! Ich glaube das ist ein kleiner Grünfink.“

Wie konnte sie das erkennen?

„Ist er tot?“

„Ich weiß nicht genau. Ich glaube nicht. Wir müssen ihn retten! Mach was! Fahr rechts ran! Wir können ihn da nicht liegen lassen. Der nächste Radfahrer macht ihn platt. Der kleine, arme Vogel!“

Ich also rechts ran, Warnblinkanlage an, Charly steigt aus, reißt sich ihr Tuch vom Hals und bewegt es ausgebreitet wie ein Stierkämpfer auf den Piepmatz zu. Selbst wenn er gar nicht verletzt war und nur einen Schock vom Aufprall hatte, Flucht war zwecklos. Charly hatte ihr Tuch so schnell über den Vogel geworfen, dass jeder Flügelschlag zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Keine Minute später saß sie wieder im Auto, das kleine Tuch-Vogelbündel auf dem Schoß. Und das Bündel zappelte.

„Tot ist er wohl nicht.“

„Nein, aber vielleicht hat er einen gebrochenen Flügel! Und ein Trauma! Klatsch du mal volle Wucht gegen die Wand!“

Ich dachte an die Geschichte, als Charly gegen die Wand gerannt ist (nachzulesen in „Omas Wand“). Vielleicht verbinden solche Sachen. Sie fing an mit dem Vogel zu reden.

„Ja ja, ist ja schon gut mein kleiner Schatz. Charly rettet dich, du wirst wieder gesund. Bleib ganz ruhig.“

Dabei schuckelte sie ihn leicht hin und her. Ein bisschen erinnerte sie mich an die irre Krankenschwester aus Stephen King´s „Misery“, die ihren Patienten fast zu Tode gepflegt hatte.

„Und was machen wir jetzt?“

„Ist hier ein Tierarzt in der Nähe?“

„Nein.“

Ihre Tierliebe reichte wirklich ins Unermessliche. Als neulich eins der Meerschweinchen ihrer Tochter Blut gepinkelt hatte und nicht mehr fraß, wurden alle tiermedizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft, um Oliver zu retten. Und sie schaffte es tatsächlich. Olli war wieder frech und verfressen wie eh und je. Wahrscheinlich hatte sie bald einen Aufkleber auf ihrem Auto, „Ich bremse auch für Ameisen“. Der Vogel wurde immer lebendiger. Das Tuch hüpfte rauf und runter.

„Lass den bloß nicht aus dem Tuch raus! Wenn der anfängt, hier im Auto rum zu flattern, bau ich noch einen Unfall! Wir nehmen ihn jetzt mit in den Garten und gucken mal, ob er es schafft oder nicht.“

Sie guckte mich etwas entsetzt an.

„Hör nicht auf die böse Frau, Piepi! Natürlich schaffst du das! Charly passt schon auf dich auf. Gleich bekommst du erst einmal ein paar feine Sonnenblumenkerne und dann gucken wir mal, was dir fehlt.“

Die böse Frau fuhr weiter zum Garten.

„Es ist doch Brutzeit. Was ist denn, wenn sie Kinder hat und du sie jetzt von ihren Babys weggeholt hast?“

Die böse Frau konnte einfach nicht die Klappe halten. Charly blieb ruhig.

„Wir machen Piepi schnell wieder gesund und dann gehört ihm wieder der ganze Himmel. Bis dahin sind die Kinder noch nicht verhungert.“

Sie war konsequent. Ich parkte das Auto. Charly versuchte vorsichtig auszusteigen, das Tuch, samt Vogel beschützend in ihren Händen. Leider hatte sie eine kleine Öffnung an der Unterseite übersehen. Piepi kämpfte sich in Sekundenschnelle frei und flog weg. Ich bildete mir ein, dass er mit einem Flügel noch ein Ballaballa Zeichen machte. Sollte es eine Vogelpolizei geben, hätte Charly jetzt bestimmt eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung an der Backe.

„Er ist weggeflogen!“

„Ja.“

„Dann hatte er wohl keinen gebrochenen Flügel.“

„Offenbar nicht.“

„Schön. Der ganze Himmel, Sunny, der ganze Himmel.“

© Sunny Möller

Allgemein, Alltagstauglich, Autorenquatsch

Charly chap lin

Das ist eine fremde Sprache, die nur Charly und ich verstehen. Sollte jetzt jemand auf diesen Schauspieler aus der Stummfilmzeit kommen, damit hat es nicht das Geringste zu tun! Es ist so ein Freundinnending, was nur wir beide verstehen. Ich weiß nicht, ob ich euch einweihen kann, aber vielleicht könnt ihr ja unsere Geheimsprache selbst entschlüsseln…

„Ey, ich hab schon wieder zugenommen! Dabei hab ich doch mit dieser Kohlsuppe gefastet!“

„Aber vielleicht hättest du Rotkäppchen lieber im Wolf lassen sollen!“

„Dieser blöde Wolf hat nicht einmal das Maul aufgemacht, ich schätze, der hat die sieben Geißlein auch schon verdaut!“

„Beim Sonnengruß?“

„Ja!“

„Wir müssen echt mehr Sport machen! Alle machen Sport, dauernd sehe ich Leute durch die Gegend rennen, mit ihren Schrittzählern und an den Arsch gepackten Trinkflaschen!“

„Sehen die glücklich aus?“

„Na ja, eher angestrengt. Aber guck doch, was wir machen. Wir labern so einen Möchtegerngeheimslang, für den sich nicht mal einer interessiert. Ist ja nicht einer dabei, der es hören könnte. Und verstehen tue ich das meiste auch nicht mal. Wer sind diese verdauten Geißlein?“

„Na ja, die Kohlsuppe war ehrlich gesagt nicht so der Burner. Ich hatte immer Hunger und musste noch dazu ständig pupsen. Jedenfalls ist Rotkäppchen der Sekt und die Geißlein sind Chicken Nuggets.“

„Aber sieben? Die gibt es doch nur als 6er, 9er oder 20er Pack.“

„Ich hatte die 20er…“

„Und hast 7 gegessen?“

„Nein, übrig gelassen.“

„Und was war jetzt mit dem Sonnengruß?“

„Haste nicht verstanden?“

„Nee.“

„Mc Sunday, der Eisbecher!“

„Ach so.“

„Ja.“

„Karamell?“

„Schoko.“

„Klar, was sonst.“

Und wisst ihr jetzt, was Chap lin bedeutet? ❤

© Sunny Möller