Alltagstauglich

Rein oder Raus???

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Als bekennender Jamie Oliver Fan führte mich mein Weg letzte Woche zu der Buchhandlung meines Vertrauens.

Da die großen Buchhandlungen mittlerweile eine Rundum-Betreuung anbieten, saß ich mit seinem neuesten Werk „Jamies 15-Minuten-Küche“ in einer chilligen Leseecke, mit einem durchaus trinkbaren 1-Euro-Kaffee-Latte und schmökerte durch die trendigen, kulinarischen Genüsse.

Von der Pasta bis hin zum Schwein, zwischendrin ein leckerer, Kräuter zerreibender Jamie, der Mann macht Appetit, in jeder erdenklichen Art. Irgendwie sexy. Ein junger Kerl, der seine von Hand gezogenen Tomaten mehr liebt, als die Pulle Bier vor der Glotze. Und der riecht bestimmt auch gut. So eine Mischung aus aphrodisierendem Kräutertopf und frisch gebackenem Naanciabattatoasthawaiisuperbrot (mit gerösteten, glasierten, seitlich kandierten, mit Liebe überzogenen Pinienkernen)…..ob er einen wohl zwischendurch Häppchen in den Mund gleiten lässt….Krümel im Mundwinkel wegküssend….? Was? Ich schweife ab.

Es gibt doch auch andere Trendköche. Mein Weg führt mich zurück zum Regal.

Tim Mälzer! Hier und da als deutscher Jamie gefeiert, erinnert er mich doch beim Kochen seiner Knorr-Kulinade eher an sein Hamburger In-Restaurant ‚Bullerei’. Und in seinen Kochshows rennt immer seine, Lebens teilende Kopfhörerassistentin durchs Bild und sie freuen sich über Dinge, die nur sie verstehen.

Henssler? Ja, geht.

Die Kochprofis? So ein bisschen Frauentauschatmosphäre mit Töpfen.

Lafer? Der freut sich beim Stopfen einer Gans so sehr, dass ich nicht wissen möchte, was er so in seiner Freizeit treibt.

Als ich schließlich bei Ruth Moschners ‚Backen für Angeber’ (als nächstes kommt bestimmt Till Schweiger´s ‚Kochen ohne Ohren’) angekommen bin, wandert mein Blick ins Nachbarregal.

‚Kotzt du noch, oder lebst du schon? ‚Mein Leben mit der Bulimie’, dicht gefolgt von der ‚2-Stunden-Diät‘ und ‚Mein Leben mit der Diabetes’.

Jamie flüstert mir ins Ohr. „Ich verwende nur Fett reduzierte Lebensmittel und frische Kräuter, mein Essen macht schlank, schön und zufrieden….“ Doch diesmal kann er mich nicht besänftigen. Was soll das? Sollen hier die Zuckerkranken geärgert werden, indem sie sehen, dass ein Tortenstück der vollblondigen Busine schon mehr Broteinheiten hat, als sie die ganze Woche über zu sich nehmen dürfen? Oder Essen und Kotzen ohne Reue, leicht gemacht? Soll mir der Spaß am Essen verdorben werden, weil ich jedes Mal meinen BMI neu berechnen muss?

Ich bezahle meinen Jamie und begebe mich ins nächste Kaffee. Frankfurter Kranz satt, für 4,99!!!

© Sunny Möller

Alltagstauglich

Schneckenkost

Slow Food (engl. slow – langsam; food – Essen) ist ein Begriff, der von einer gleichnamigen Organisation als Ausdruck für genussvolles, bewusstes und regionales Essen geprägt wurde und eine Gegenbewegung zum Trend des uniformen, globalisierten und genussfreien Fast Food bezeichnet. Die ursprünglich aus Italien stammende Bewegung bemüht sich um die Erhaltung der regionalen Küche mit heimischen pflanzlichen und tierischen Produkten und deren lokale Produktion.
Nach Ansicht des Publizisten Matthias Horx ist „Slow Food“ einer von 18 Trends, die das Leben von morgen auf dem Gebiet der Ernährung beeinflussen werden. Slow Food steht in diesem Zusammenhang für Produkte mit authentischem Charakter (regional, saisonal), die auf traditionelle oder ursprüngliche Weise hergestellt und genossen werden.
Lebensmittel, die nach Slow-Food-Kriterien angebaut, produziert, verkauft oder verzehrt werden, sollen regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und Menschen wieder mit Auge, Ohr, Mund und Händen an ihre Region binden. (Wikipedia)
Super, wieder was gelernt! Lassen wir die Welt der Anglizismen mal beiseite. Slow food??? Langsames Essen? Sprechen wir hier über den Verzehr von Tieren, die nicht so schnell voran kommen? Schnecken zum Beispiel, nebenbei bemerkt auch das Maskottchen der Organisation. Oder reden wir eher von dem weitestgehend bewegungsunfähigem Spinat? Food with handicap zuzusagen. Ist das nicht diskriminierend? Herr Horx erklärt es noch genauer. Slow food beinhaltet Produkte mit authentischem Charakter. Verstehe, eine Kohlroulade sollte schon davon überzeugt sein, eine Kohlroulade zu sein. Was machen wir aber mit Nahrungsmitteln, die in einer Identitätskrise stecken? Vielleicht möchte das Lamm von Biobauer Landgraf lieber eine Apfel sein. Und dann? Tut uns leid, multiple Persönlichkeiten kommen uns nicht in die Pfanne. Die Authentizität betrifft auch die Regionalität. Und die Pflanzen mit Migrationshintergrund? Die Tomate, der Paprika, selbst die allseits beliebte Kartoffel, sind irgendwann als Gastarbeiter aus Südamerika in unser Land gekommen. Oder betrifft es nur die kürzlich eingereisten Nahrungsmittel ohne Deutschkenntnisse? Und warum wollen sie mein Ohr an die Region binden? Glaubt ihr denn, wenn ich ein niedliches oink oink aus dem Stall höre, kann ich mein Schnitzel noch genießen?Und wieder ein Tag in der neuen Weltordnung, in der ich mich zurücksehne zu der Zeit als Slow Food noch Eintopf bei Oma war!!!

© Sunny Möller