
Gespräch mit einer Freundin.
„Wie findest du eigentlich meine neuen Stiefel?“
Ein etwas teilnahmsloser Blick erwiderte meine Frage.
„Joah, sehen ganz schön aus!“
„Begeistert klingst du ja nicht gerade!“
„Na ja, für mich wären sie nichts!“
Ich war erstaunt. Die Stiefel waren der Hammer. Feinstes, weiches Leder und etwas höher geschnitten, der Trend diesen Winter. Normalerweise fing Kathrin an zu sabbern, wenn sie solches Beinwerk im Schaufenster sehen würde.
„Wieso das nicht? Du hast doch total tolle Beine!“
Kathrin lächelte mich würdevoll an.
„Da hast du Recht Sunny, aber mir wären sie, na, wie soll ich sagen, etwas zu nuttig. Wir sind ja jetzt auch nicht mehr zwanzig und n Keks! Aber du kannst das tragen, mach dir keinen Kopf!“
Auf dem Weg nach Hause musste ich über das Gespräch nachdenken. War ich der Typ für Nuttenstiefel? Immerhin hatten sie über 200 Euro gekostet und wurden nicht von einer Sicherheitsnadel zusammengehalten. Würde eine Freundin so etwas sagen? Sollte sie sich nicht mit mir freuen? Ich rief meinen besten Freund an. Schwul. Die perfekte Mischung aus Kerl und weiblichem Verständnis.
„Was war das da eben mit Kathrin, Knut? Sie findet die Stiefel für mein Alter zu nuttig!“
„Sorry Süße, aber naiv ist wirklich dein zweiter Vorname! Geh mal googeln und gib ´Stutenbissigkeit´ ein! Dann hast du deine Antwort. Ach, und Schnucki? Wenn eine diese Stiefel tragen kann, dann ja wohl du! Küsschen!!!“
Ich wünsche jeder Frau einen schwulen Mann, als beste Freundin! Komplimente bekommen, ohne Hintergedanken und niemals naschen wir am selben Buffet.
Stutenbissigkeit war mir ein vertrauter Begriff, aber unter Freundinnen? Ich googelte.
Stutenbissigkeit klingt archaisch und ist auf das Sozialverhalten von Pferden in ihrer Herdengemeinschaft zurückzuführen. Eine Frau kann einer Frau nur schwerlich ohne Skrupel offen eine Niederlage zufügen. Das verbietet der anerzogene Anstand, der weibliche Sozialcharakter und das „Nicht – verletzen“ sondern das zu den „Guten“ gehören wollen. Das wichtigste feministischen Paradigma der Solidarität käme ins Straucheln. Offene Auseinandersetzung mit einer anderen Frau ist auch wegen der vermeintlich hohen persönlichen Verletzungsgefahr zu riskant?
Möglichst unauffällig wird auf allen Ebenen mit strategischem Einfallsreichtum gegen die Konkurrentin gearbeitet. Verbündete werden gesucht. Erstaunlicherweise empfindet sich die Betroffene selbst dabei auch oft noch als Opfer. Männer hingegen würden ihren Gegner meist einfach durch Leistung übertrumpfen. Frauen reicht das selten; sie neigen dazu, die andere Frau auch als Person ausschalten zu wollen. Da das heimliche Ziel der Stutenbissigkeit unter Frauen jedoch uneingestanden und „undercover“ ist, werden möglichst viele Personen mit möglichst großem Einfluss versucht hinein zu ziehen.
Hinterhältig, intrigant, unter der Gürtellinie, brodelnde Gerüchteküche, neidisches und missgünstiges Verhalten, üble Absichten unterstellen, gute Ideen klauen oder das zumindest mal der anderer unterstellen, erbitterte Konkurrenz, Sticheln, Mobben, Verharmlosen, schonungsloses Bloßstellen, Missachten, Schweigen, Aussitzen, versteckte Aggressivität, schiefe Blicke und Anschuldigungen?
Wenn Stutenbissigkeit unter Frauen auftritt, handelt es sich oft um Frauen, die in irgendeiner Form mit angezogener Handbremse leben. Häufig handelt es sich auch um selbst auferlegte Verbote etc. Oft macht jedoch bereits das Äußere, Frauen zu Rivalinnen. Das kommt selbst bei intelligenten Frauen vor.
Stutenbissigkeit unter Frauen entsteht meist gleichzeitig auf der Ebene der Kompetenz und der Attraktivität. Hebt sich eine Frau irgendwie aus einer Gruppe von Frauen hervor, wird ihr die Zugehörigkeit im Club der Frauensolidarität gekündigt, Mobbing und Stutenbissigkeit unter Frauen setzen ein.
(coaching-blog.info)
Hunderttausende, die betroffen sind und ebenso viele, die es vehement abstreiten würden.
„Ich bin doch nicht stutenbissig. Also, ich kenne solche Frauen, aber ich bin eher der Meinung, man muss auch gönnen können!“
Wie oft habe ich das schon gehört. Beißen tun angeblich immer nur die anderen. Ich überlegte, hatte ich mir schon ähnliche Rituale zu Eigen gemacht, um eine Rivalin aus dem Feld zu stechen?
NEIN!
Ich bin nicht neidisch auf den Erfolg anderer Frauen. Schon gar nicht auf den Erfolg meiner Freundinnen. Ich sehe es als Stück meines eigenen Erfolges, weil ich sie oftmals begleitet habe, mit ihnen gekämpft und gefiebert habe. Ich freue mich mit ihnen und leide genauso, wenn etwas schief geht. Das ist meine blauäugige Auffassung von Freundschaft!
Es gibt nur eine einzige Ausnahme. Sollte es jemand wagen, sich an meiner Beute zu schaffen zu machen, dann werde ich komisch. Hat aber weder mit Stuten noch Puten zu tun, da positioniere ich mich dann doch lieber in der Raubtierabteilung! Miauu!
© Sunny Moeller
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